Finanzwesen nach der Scharia – wie funktioniert eine islamische Finanzierung?

Zinsfrei, ethisch und an der Realwirtschaft orientiert – das islamische Finanzwesen hat die höchsten globalen Wachstumsraten im Bankensektor. Weltweit sind islamische Bankprodukte auf dem Vormarsch, ob für Muslime oder Kunden, die eine Alternative zu dem konventionellen Bankensystem suchen. Dabei gilt es, die exotischsten Begrifflichkeiten einer breiten Öffentlichkeit zu erklären – und das ganz besonders in Ländern, in denen die islamischen Gepflogenheiten nicht allzu bekannt sind.

Banking nach dem Islam, Beteiligungskonto, islamische Baufinanzierung, Murabaha und Mudabara – wer davon noch nie gehört hat, wird nun aufgeklärt, denn seit die Wirtschaftszeitung Handelsblatt im März 2015 über die Eröffnung der KT Bank AG in Frankfurt, Mannheim und Berlin berichtete, werden Produkte des islamischen Finanzwesens auch in der Eurozone angeboten. Das erste islamkonforme Finanzinstitut in Deutschland und in der Eurozone ist aus der Kuveyt Türk Beteiligungsbank in Istanbul hervorgegangen. Bereits 2004 eröffnete die Kuveyt Türk Bank eine Repräsentanz in Deutschland. Seither informiert Kuveyt Türk über das islamische Finanzwesen, über islamkonforme Immobilienfinanzierungen und weitere islamische Investitionsmöglichkeiten.

Islamische Immobilien- und Baufinanzierung – einfach erklärt

Der Immobilien- und Baufinanzierung kommt bei der islamkonformen Anlage eine zentrale Rolle zu, gibt es doch eine große Anzahl an Muslimen, die in zweiter, dritter, manchmal sogar vierter Generation in Deutschland und im Euroraum leben und gerne nach islamischen Kriterien ein Haus finanzieren möchten. Wie funktioniert das genau und was ist der Unterschied zwischen einem islamkonformen und einem konventionellen Immobiliengeschäft?

Immobilie ohne Hypothekenzinsen?

Eine islamkonforme Bank orientiert sich an den Regeln und dem religiös-ethischen Wertekanon des Islam und seinen Verpflichtungen zu sozialer Verantwortung. Wichtige Kriterien des islamischen Finanzwesens sind die Begrifflichkeiten „zinsfrei“ und „Realwirtschaft“. Das Zinsverbot ist dabei das wohl bekannteste Unterscheidungsmerkmal zwischen dem konventionellen und dem islamkonformen Finanzwesen und dies gilt auch für Hypothekenzinsen. Außerdem muss nach dem Glauben der Muslime jede Transaktion und jede Überweisung nicht nur zinsfrei, sondern auch für die Beteiligten klar und nachvollziehbar, frei von extremen Risiken, Glücksspiel, Spekulation und gesellschaftsschädigenden Elementen sein. Jeder Transaktion liegt zudem ein reales Gut zugrunde, es wird also immer in die grundsolide Wirtschaft investiert, zum Beispiel im Immobilienbereich.

Investitionen in verschuldete Unternehmen sind im islamischen Finanzwesen nicht erlaubt. Das islamische Banking sieht außerdem ethische Ausschlusskriterien vor: Hierzu zählen unter anderem das Verbot der Investition in Alkoholherstellung und -vertrieb, in die Tabakindustrie, in Rüstungsgüter sowie in die Verarbeitung von Schweinefleisch und den Handel damit.

Die islamische Immobilienfinanzierung in Deutschland: Das GbR Modell

Eine Immobilienfinanzierung nach den Grundlagen des Islam gestaltet sich in Deutschland über die hiesige Tochterbank der Kuveyt Türk Bank folgendermaßen: Die islamkonforme Bank gründet als Finanzier mit dem Kunden eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) und erwirbt nach diesem Modell eine Immobilie. Per sukzessiver Ratenzahlung des Kunden an den Finanzier gibt dieser die Anteile an den Kunden weiter. Diese Lösung ist juristisch abgestimmt, finanzamts- sowie islamkonform und gleichzeitig zinsfrei. Der Kunde muss zudem die Grunderwerbssteuer nicht mehrmals bezahlen. Nach dem Finanzierungsmodell der ersten Bank in Deutschland mit islamkonformen Finanz- und Anlageprodukten fällt die Grunderwerbssteuer nur einmal an. Die Vermeidung der 2. Grunderwerbssteuer beruht auf einer gängigen Praxis in Deutschland, welche das islamkonforme Finanzwesen hierzulande im neuen Kontext nutzt. Laut Informationen der Kuveyt Türk Bank agiert ihre Tochter KT Bank AG als erste Bank in Deutschland mit islamkonformen Finanz- und Anlageprodukten momentan vorerst als Finanzier von Bestandsimmobilien. Weitere Informationen zur islamkonformen Immobilienfinanzierung hier.

Murabaha – am Beispiel eines Ratenkredites

Im islamischen Finanzwesen findet kein verzinslicher Geldverleih statt. Eine islamkonforme Bank verleiht kein Geld, sondern agiert als Finanzier eines realen Gutes, beispielsweise bei einem Ratenkredit. Die Bank erwirbt das Gut und verkauft es mit einem angemessenen Gewinnaufschlag an den Kunden, der den Gesamtbetrag in Raten an den Finanzier zurückzahlt, weiter. Die Bank, also der Finanzier, agiert als Zwischenhändler zwischen Käufer und Verkäufer und damit gemäß der Islamic Banking Richtlinien. Diese Struktur wird im islamischen Finanzwesen Murabaha genannt. Typisch für die Murabaha-Struktur ist der Erwerb des Gutes durch den Finanzier, womit die islamkonforme Bank als eben dieser Finanzier gleichzeitig das Risiko der Instandhaltung und Nichtabnahme des Gutes trägt. Zudem stundet der Finanzier dem Kunden den Kaufpreis. Damit ist nach der rechtlichen Situation im islamischen Finanzwesen das Eigentum vom Finanzier mit wirtschaftlichem Risiko, zumindest kurzzeitig, erworben worden, sodass der Profit auf dem Verkauf basiert. So hat der Finanzier nach den Islamic Banking Richtlinien Anspruch auf eine angemessene Entlohnung.

Zinsfrei und ethisch Profit machen – ein weiteres beliebtes Instrument im islamischen Finanzwesen ist das islamkonforme Beteiligungskonto. Fair den Gewinn teilen zwischen der Bank und dem Kunden ist beim Bankprodukt Beteiligungskonto selbstverständlich. Es wird gemeinsam investiert und gemeinsam zinsfrei profitiert.

Beim Beteiligungskonto handelt es sich um eine Form der islamkonformen Investition, die auf dem Prinzip der Erfolgsbeteiligung basiert. Das funktioniert so: Beim Beteiligungskonto legt der Kunde sein Geld an, das die islamische Bank wiederum ausschließlich in islamkonforme Bereiche der Realwirtschaft investiert. Der daraus erzielte Gewinn wird entsprechend eines vorher vereinbarten Verteilungsschlüssels aufgeteilt. Zinsfrei profitieren und islamisch sinnvoll handeln lautet hiermit das Motto. Die tatsächliche Gewinnbeteiligung hängt dabei maßgeblich von der Laufzeit und der Höhe der angelegten Summe ab. Möglich sind dabei verschiedene Laufzeiten. Der Ableger der Kuveyt Türk Bank in Deutschland bietet ein solches Beteiligungskonto an: Weitere Informationen unter www.kt-bank.de/privatkunden/beteiligungskonto

Scharia-Banking auf dem Vormarsch

Das islamische Finanzwesen ist ein Begriff für Muslime weltweit, da Finanzierungs-Bedürfnisse aufgrund von Glaubensfragen damit berücksichtigt werden. In über siebzig Ländern bieten rund fünfhundert islamische Banken ihre Dienstleistungen an – die Kuveyt Türk Bank befindet sich im internationalen Rahmen in guter Gesellschaft. Die Haupt-Standorte des islamkonformen Bankwesens liegen in der islamischen Welt. Jedoch greifen auch mehr und mehr Märkte des konventionellen Bankensystems die Idee „zinsfrei“ und islamkonform auf. Die jährlichen Wachstumsraten des islamischen Finanzwesens liegen mit über 15 Prozent wesentlich über den Vergleichswerten im konventionellen Bankgeschäft. Weiteres Wachstum steht in Aussicht.

Die Scharia und das universelle ethische Wertesystem

Wie reagiert die westliche Welt auf das islamische Finanzwesen? Kann ein Deutscher eine islamkonforme Überweisung tätigen oder zinsfrei seinen Geldgeschäften nachgehen? Kann ein Kunde mit anderer Glaubensrichtung ein Beteiligungskonto eröffnen? Dürfen Europäer Murabaha oder eine Baufinanzierung nach den Islamic Banking Prinzipien beanspruchen? Das islamische Finanzwesen wirft viele Fragen auf. Ganz allgemein bleibt festzuhalten, dass die Werte der Muslime universelle, ethische Werte sind. Deshalb ist das islamische Finanzwesen, vom Beteiligungskonto bis zur Überweisung, für alle Kunden relevant und zugänglich, die nachhaltig und verantwortlich investieren möchten und maximale Transparenz schätzen.